Nachruf / Dr. Harro Heim: Direktor der Universitätsbibliothek Bielefeld 1968-1984: Leidenschaft für Bielefeld

Dr. Harro Heim an seinem 60. Geburtstag am 4. April 1979

Dr. Harro Heim an seinem 60. Geburtstag am 4. April 1979

Dr. Harro Heim hat den Aufbau und die Gründungsjahre der Universitätsbibliothek Bielefeld maßgeblich gestaltet und geformt. Bibliotheksbau bzw. Bibliotheksorganisation (Bielefelder Modell), Bibliothekstechnologie (Datenverarbeitung in der Bibliothek) und der Servicegedanke für die Nutzerinnen und Nutzer waren im Zentrum seiner Zielsetzungen. Seine pragmatische, moderne und unkonventionelle Herangehensweise führten zu Schlagzeilen wie der folgenden: „Bielefeld (Sch). Die Universitätsbibliothek findet – insbesondere wegen ihres computergestützten Katalog- und Ausleihsystems – schon seit mehreren Jahren internationale Beachtung. Sie gilt als eine der modernsten Bibliotheken der Welt…“

Dr. Harro Heim war sich im Klaren über seine innovative Leistung, die er wie folgt sachlich formulierte: „Das Bielefelder Modell war zur Zeit seiner Entstehung, d.h. 1968, durchaus etwas Besonderes und in der Bundesrepublik singulär, wenn auch nicht folgenlos. Die bis dahin übliche Zwei- und Mehrgleisigkeit des Bibliothekswesens an Universitäten wurde durch ein integriertes Bibliothekssystem, durch eine Gesamtbibliothek abgelöst.“

Für seine modernen Ideen musste Dr. Harro Heim Kritik von hochrangigen Kollegen hinnehmen, aber noch heute profitieren WissenschaftlerInnen und Studierende von den grundlegenden Strukturen, die damals unter der Leitung von Dr. Harro Heim gelegt wurden. Kurze Wege zwischen den Fakultäten und der Bibliothek (die Bibliothek ist auf der Ebene 1 direkt unter den Fakultäten), der Bestand ist nicht im Magazin, sondern steht im Lesesaal frei zugänglich direkt neben den Arbeitsplätzen, und die hervorragenden langen Öffnungszeiten bis in die Nacht hinein sowie die Zugänglichkeit der Bibliothek am Samstag und Sonntag: all dies sind heute Selbstverständlichkeiten – damals war es revolutionär! Mit dieser völlig neuen Struktur und der neuartigen Organisation für eine Universitätsbibliothek zeigte Dr. Harro Heim, wie mittels baulicher Struktur ökonomisiert und optimiert werden konnte. Wo andere Bibliotheken noch mit dem Zettelkatalog arbeiteten, setzte Dr. Harro Heim gleich von Anfang an auf die Technik. Als die Universität Bielefeld 1969 ihren Lehrbetrieb aufnahm, lag bereits der erste vollständige mittels EDV erzeugte Bibliothekskatalog vor, d.h. sowohl die konsequente Einführung der EDV in der Katalogisierung als auch in der Verbuchung waren von Anfang an in Bielefeld Standard. Zu dieser Zeit war das unglaublich innovativ. Im letzten Jahr seiner Leitung fand der Bibliothekartag an der Universität Bielefeld 1984 statt. Es war mein erster Tagungsbesuch überhaupt, aber auch wenn ich noch jung und ohne bibliothekarische Erfahrung war, war ich sicher nicht die Einzige, die schwer beeindruckt war von dieser innovativen Bibliothek.

Die neuen Grundideen, die Dr. Harro Heim gesetzt und umgesetzt hat, haben alle folgenden Direktoren weitergeführt und sie sind noch bis heute hochaktuell und haben ihre Gültigkeit behalten (nicht nur in Bielefeld). Die derzeitigen Schwerpunkte der heutigen Bielefelder Bibliothek sind überschrieben mit „Dienstleistung aus Überzeugung“ und „Innovation aus Tradition“. Selbst beim Personalaufbau im IT-Umfeld – damals ADV-Abteilung – gab es damals wie heute dieselben Probleme. „Bei der Besetzung der ADV-Abteilung kam erschwerend hinzu, dass geeignete bibliothekarische Kräfte mit spezifischen, dazu möglichst fundierten DV-Kenntnissen nirgendwo zu finden waren. In der Fachausbildung fehlte das Gebiet der ADV damals völlig. Daher war es zu Beginn nur möglich, berufsfremde Anfänger in Programmierung ausbilden zu lassen…“(aus Heim, Harro: Die Universitätsbibliothek Bielefeld 1968-1984. München 1984). 30 Jahre später freuen wir uns über gut ausgebildete IT-Kolleginnen und Kollegen, die die Bereitschaft mitbringen, sich in bibliothekarische Sachverhalte einzuarbeiten.

Auch wenn sich die Rahmenbedingungen des wissenschaftlichen Arbeitens seit 1984 stark verändert haben, gelten die von Dr. Harro Heim gesetzten Grundlinien weiterhin. Die Universitätsbibliothek Bielefeld kann für sich in Anspruch nehmen, den Wandel ins digitale Zeitalter immer wieder mit neuen Entwicklungen angestoßen zu haben. Seit ihrem Bestehen gehört die Bibliothek zu den Pionieren elektronischer Informationsdienste.

Dr. Harro Heim war von 1968-1984 leitender Bibliotheksdirektor an der Universitätsbibliothek Bielefeld. Am 3. Juli 1996 wurde er zum Ehrenbürger der Universität ernannt. Zum letzten Mal war Dr. Harro Heim zum 40jährigen Jubiläum 2009 noch persönlich in die Universitätsbibliothek gekommen, um mit uns zu feiern – wo ich ihm einmal persönlich begegnet bin. Seine Leidenschaft für das Bibliothekswesen und für seine Bibliothek war ungebrochen.

Dr. Harro Heim starb am 12. Oktober 2016 in Wien.

Barbara Knorn, Direktorin der Universitätsbibliothek Bielefeld, im Oktober 2016

Universität Bielefeld verabschiedet ihren Bibliotheksdirektor

Dr. Michael Höppner ab Dezember im Ruhestand.

„Innovation aus Tradition“ und „Dienstleistung aus Überzeugung“ sind die Ziele, an denen Dr. Michael Höppner stets sein bibliothekarisches Handeln ausrichtete. Am 4. Dezember verabschiedete die Universität Bielefeld ihren langjährigen Bibliotheksdirektor in den Ruhestand. Zu der Vortragsveranstaltung mit anschließendem Empfang waren alle Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Gäste aus der Universität sowie anderen deutschen Bibliotheken eingeladen. Den Fachvortrag zum Thema „Information und/oder Infrastruktur“ hielt Werner Stephan, Direktor der Universitätsbibliothek Stuttgart.

Dr. Michael Höppner, geboren 1948, übernahm nach seinem Wechsel von der Universitätsbibliothek Paderborn nach Bielefeld im Jahr 1994 zunächst das Dezernat „Allgemeine Bibliotheksverwaltung“.1995 wurde er stellvertretender Direktor, im Dezember 2006 leitender Bibliotheksdirektor der Universitätsbibliothek Bielefeld. Unter seiner Leitung hat die Bibliothek auf die neuen Erwartungen durch eLearning und eScience und die veränderten Arbeitstechniken ihrer Benutzer reagiert und sich entsprechend aufgestellt. Die von der Universitätsbibliothek Bielefeld betriebene Suchmaschine BASE entwickelte sich zu einer der weltweit größten Suchmaschinen für frei zugängliche wissenschaftliche Dokumente im Internet und wurde unter anderem bei den SuMa Awards des Vereins für freien Wissenszugang und vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft mit Preisen ausgezeichnet.

Welche Leistungen die Nutzer von der Universitätsbibliothek erwarten können, ließ Höppner in einem umfassenden Dienstleistungskatalog festschreiben – transparent und für alle Nutzerinnen und Nutzer im Internet abrufbar. Publikations- und Datendienste, mit denen die Ergebnisse Bielefelder Forschung weltweit besser sichtbar gemacht werden, wurden unter seiner Leitung konsequent weiterentwickelt und die Bibliothek als Lern- und Arbeitsort für Studierende weiter ausgebaut. Heute verfügt sie über 2.050 Einzel- und Gruppenarbeitsplätze.

Dr. Michael Höppner und Prof. Dr.-Ing. Gerhard Sagerer

INFORMATION.plus! definierte Dr. Höppner als Markenzeichen für das ganzheitliche Dienstleistungsangebot der Universitätsbibliothek Bielefeld. Es verknüpft ein umfangreiches und aktuelles Informationsangebot mit benutzerfreundlichen Services und zeitgemäßen Lern- und Arbeitsmöglichkeiten. Diesen Einsatz zur Weiterentwicklung der Bibliothek stellte auch Rektor Professor Dr. Ing. Gerhard Sagerer heraus: „Michael Höppner hat maßgeblichen Anteil daran, dass die Bielefelder Universitätsbibliothek ihre herausragende Stellung in den letzten Jahren gefestigt und ihre Benutzerfreundlichkeit weiter gesteigert hat. Die Universität ist ihm zu großem Dank verpflichtet!“

Dr. Michael Höppner gehörte verschiedenen landes- und bundesweiten Beratungsgruppen und Arbeitsgemeinschaften an, zum Beispiel der Arbeitsgemeinschaft der Universitätsbibliotheken (AG UB) des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Beirat beim Hochschulbibliothekszentrum (HBZ) in Köln und dem DFG-Unterausschuss für Informationsmanagement. Von internationaler Bedeutung waren die „Bielefeld Conferences“, die die Universitätsbibliothek Bielefeld seit 1992 veranstaltet und die Dr. Höppner seit 2009 leitete. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzen ihn für seinen freundlichen Umgang, die Fähigkeit zuzuhören und seine ausgleichende Art bei Interessenskonflikten.

Für Dr. Höppners Nachfolge hat die Universität Bielefeld kommissarisch Barbara Knorn als Leiterin der Universitätsbibliothek benannt. Als stellvertretende Direktorin und Dezernentin für Bibliotheksbenutzung verfügt sie bereits über langjährige Erfahrung in Leitungsfunktionen der Bibliothek.